Raus in die Welt
Die letzten Tage konnte ich endlich einige der selbst gezogenen Pflänzchen ins Gemüsebeet setzen. Obwohl ich die Anzucht zuvor abgehärtet hatte – also sie jeden Tag ein wenig länger ins Freie gestellt hatte –, war der Umzug ins Beet für die Jungpflanzen gar nicht so einfach. Beim Auseinandertrennen der Setzlinge wird das Wurzelwerk gestört, und draußen ist das Klima rauer: Die Winde wehen hier auf dem Berg oft kräftig, und die Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht sind erheblich.

Daher sahen meine Rote-Bete-Setzlinge mitgenommen aus. Die Blätter lagen schlaff und leblos am Boden. Auch die Salatpflänzchen wirkten blass und kraftlos.
Ich konnte nur gießen – und ihnen gut zureden.
Doch schon nach wenigen Tagen änderte sich das Bild, und aus den kleinen Pflänzchen kamen kräftige neue Blättertriebe, die gesund und widerstandsfähig aussahen.
Bei einem Setzling weiß ich noch nicht, ob er es schaffen wird.

Beim genauen Betrachten fallen mir Parallelen zur menschlichen Entwicklung auf:
Möchte ich in meinem Leben etwas verändern, z. B. eine alte Gewohnheit ablegen und eine neue Gewohnheit etablieren, dann beginnt dieser Prozess oft im Stillen, reift also in mir heran, bevor er im Außen sichtbar wird.
Auch nach einer intensiven Zeit der inneren Arbeit, etwa in einer Auszeit, einem Retreat oder nach tiefgründigen Gesprächen, habe ich die Erfahrung gemacht, dass es mir guttut, erst einmal die neuen Erkenntnisse bei mir zu behalten, damit sie in mir landen können und Halt finden.

Das Neue braucht Schutz und innere Pflege, damit es zuerst in mir »Wurzeln schlagen kann«. Wenn ich Glück habe, dann begleiten mich dabei ein paar mir nahestehende Menschen, die mein Wachstum willkommen heißen und mich darin bestärken.

Doch irgendwann kommt der Moment, da muss ich mit meiner neuen Geschichte raus in die Welt – und das ist nicht immer leicht.
Manchmal fühlt sich der Alltag nach einer inneren Veränderung seltsam an: vertraute Wege wirken plötzlich fremd, neue Pfade noch unsicher.
Es gibt Menschen und auch kollektive (kulturelle und gesellschaftliche) Kräfte, die wollen gar nicht, dass ich mich verändere. Das kann frustrierend sein und einsam machen. Oder dazu führen, dass ich mich von alten Freunden, dem Arbeitsplatz oder Wohnort verabschieden muss, um meiner neuen inneren Spur folgen zu können.

Und manchmal reichen die eigenen Kräfte nicht aus, um das Neue ins Leben zu bringen, und wir fallen zurück zum Ausgangspunkt. Auch das gehört dazu … doch um im Bild der Rote-Bete-Pflänzchen zu bleiben, gibt es immernoch genug Pflanzen, um deren Wachstum ich mich kümmern kann.

Bleibe ich dran, und bei mir – liebevoll und unterstützend – dann kann ich Schritt für Schritt das Neue in mir stärken, mich im Wechselspiel mit meiner Umwelt neu kennenlernen und widerstandsfähige neue Gewohnheiten ins Leben bringen.

Und DU?
Welche Entwicklung steht bei dir an?
Was reift in dir im Stillen und möchte jetzt nach draußen?

Welcher Veränderungsversuch ist dir bis heute nicht wirklich gelungen?
Und wäre es möglich, dem eine zweite Entwicklungschance zu geben:-)

Greta Horn, 16.5.25
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